»Deutschlands wunderbarstes und sinnvollstes Lesefest!«
DIE ZEIT

14. »Frankfurt liest ein Buch« 24. April bis 7. Mai 2023

Deniz Ohde: Streulicht (Suhrkamp Verlag)

Das 14. Lesefest Frankfurt liest ein Buch hat nach den Pandemie­jahren erstmals ohne Einschränkungen stattfinden können. Vom 24. April bis 7. Mai und darüber hinaus drehte sich alles um den hoch­dotierten Debütroman Streulicht (Suhrkamp Verlag) der 1988 in Frankfurt geborenen Autorin Deniz Ohde. Erstmals wurde ein Buch ausgewählt, das mit Sindlingen und Höchst den Frankfurter Westen erkundet. Und so ging es diesmal auch um das Sichtbarmachen der westlichen Vororte. 

Das Programm von Frankfurt liest ein Buch 2023 mit allen öffentlichen Veranstaltungen finden Sie hier als PDF.

Das Buch – Streulicht

In ihrem gefeierten Debütroman erkundet Deniz Ohde die Sollbruchstellen im Leben der Erzählerin und erzählt von den Zuschreibungen und Erwartungen an sie als Arbeiterkind, der Kluft zwischen Bildungsversprechen und erfahrener Ungleichheit und dem Versuch, sich von der verinnerlichten Abwertung zu befreien. Industrieschnee markiert die Grenzen des Orts, eine feine Säure liegt in der Luft, und hinter der Werksbrücke rauschen die Fertigungshallen, wo der Vater tagein, tagaus Aluminium­bleche beizt. Hier ist die Ich-Erzählerin aufgewachsen, hierher kommt sie zurück, als ihre Kindheitsfreunde heiraten. Und während sie die alten Wege geht, erinnert sie sich: an den Vater und den erblindeten Großvater, die kaum sprachen, die keine Veränderungen wollten und nichts wegwerfen konnten, bis der Hausrat aus allen Schränken quoll. An die Mutter, deren Freiheitsdrang in der Enge einer west­deutschen Arbeiterwohnung erstickte, ehe sie in einem kurzen Aufbegehren die Koffer packte und die Tochter beim trinkenden Vater ließ. An den frühen Schulabbruch und die Anstrengung, im zweiten Anlauf Versäumtes nachzuholen, an die Scham und die Angst – zuerst davor, nicht zu bestehen, dann davor, als Aufsteigerin auf ihren Platz zurückverwiesen zu werden.

Ich sagte meiner Mutter auf dem Heimweg, welches Wort ich gehört hatte, kurz vor dem Stoß. Ich fragte, was es bedeutete. »Es ist ein Schimpfwort«, sagte sie. »Aber du kannst nicht gemeint sein. Du bist Deutsche.« Deniz Ohde, Streulicht

Deniz Ohde: Streulicht 
Erstausgabe 17.08.2020 
Neuausgabe mit einem Nachwort der Autorin im Dezember 2022
Fester Einband, ca. 280 Seiten
€ 18,- (D)
ISBN 978-3-518-43129-0
Suhrkamp Verlag 

Die Autorin - Deniz Ohde

Deniz Ohde (c) Heike Steinweg/ Surhkamp Verlag

Deniz Ohde, geboren 1988 in Frankfurt am Main, studierte Germanistik in Leipzig, wo sie heute auch lebt. Für ihren Debütroman Streulicht, der auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises stand, wurde sie mit dem Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung und dem aspekte-Literaturpreis 2020 ausgezeichnet.

Frankfurt liest ein Buch 2023

Frankfurt liest ein Buch 2023 – das waren dieses Mal insgesamt 79 Veranstaltungen mit bis zu neun Terminen an einem Tag, die vor allem in Frankfurt am Main, aber auch in näherer wie weiterer Umgebung stattgefunden haben: Bad Vilbel, Dieburg, Gießen, Hainburg, Kelkheim, Königstein, Maintal, Offenbach, Unterliederbach u.v.m.

Mit den Veranstaltungsformaten wurde in diesem Jahr besonders experimentiert. Neben der klassischen Lesung mit Gespräch gab es u.a.: Ausstellung, literarischer Stadtspaziergang, Urban Sketching, Filmvorführung, Fotokurs, Videoworkshop und Kurzfilmwettbewerb, szenische Lesung, wissenschaftlicher Vortrag, Werkstattgespräch und Workshop, Shared Reading und Silent Reading sowie verschiedene Formate mit Musikeinsatz.

Mitgewirkt haben u.a. Schauspieler:innen und Musiker:innen, Wissenschaftler:innen, Studierende und Schüler:innen, renommierte Fachjournalist:innen und (Debüt-) Moderator:innen.

Die Orte und Veranstalter waren gewohnt heterogen und haben unterschiedlichste Interessentengruppen angezogen: Senioren- und Nachbarschaftszentren, Nachtclubs und Kneipen wie das Ulenspiegel in Gießen, die ExZesshalle in Bockenheim oder das habel.elf in Heddernheim, Kirchen und Gemeinden, Stadtbüchereien und Buchhandlungen, Cafés und Kinos, Museen wie etwa das Stadtmuseum Eschborn, das Geldmuseum und das Museum für Kommunikation in Frankfurt. Es waren wieder einige Sozialeinrichtungen mit dabei, wie etwa die AIDS-Hilfe, die AWO, die Stotterer Selbsthilfe oder die Caritas. Erstmals haben sich auch die Veranstalter der jungen Lesebühne „Never Wash Them at more than 40 degrees they said“ Frankfurt liest ein Buch angeschlossen.

Deniz Ohde selbst hat innerhalb von zwei Wochen an 27 Veranstaltungen persönlich teilgenommen mit bis zu drei Terminen pro Tag, die durchgängig ausverkauft bzw. voll belegt waren. Elf dieser Veranstaltungen waren von oder für Schüler:innen organisiert. Vier Schulen haben Ausstellungen organisiert. Das Interesse der Lehrer:innen und Schüler:innen war in diesem Jahr außerordentlich groß.

Die Themen des Romans haben zu unterschiedlichsten Diskussionen angeregt und verschiedene Aspekte aus Streulicht aufgegriffen. Im Folgenden sollen ein paar Höhepunkte des diesjährigen Festivals herausgegriffen werden.

Die ausverkaufte Eröffnungsveranstaltung von Frankfurt liest ein Buch 2023 fand wieder im großen Saal der Deutschen Nationalbibliothek statt, diesmal – nach drei Coronajahren – mit allen 375 Plätzen. Zu den sechs Vorleser:innen aus Streulicht zählten der neu gewählte Ober­bürger­meister Mike Josef genauso wie Deniz Ohdes frühe­rer Deutschlehrer Steffen Schwarz. Beson­ders berührt haben die Worte der Autorin selbst. Ihren Redebeitrag kann man sich auf dem Youtube-Kanal von Frankfurt liest ein Buch an­schauen.

V. li. n. re.: Sonja Vandenrath, Silke Haug, Ute Schwens, Mike Josef, Deniz Ohde, Martina Wunderer, Eleonore Wiedenroth-Coulibaly, Steffen Schwarz, Isabella Caldart, Sarya Akdeniz, Tanja Brühl

Sonja Vandenrath, Literaturbeauftragte der Stadt Frankfurt am Main

Martina Wunderer, Lektorarin Suhrkamp Verlag

Mike Josef, Oberbürgermeister Frankfurt am Main

Tanja Brühl, Präsidentin TU Darmstadt

Steffen Schwarz, Lehrer Max-Beckmann-Schule

Isabella Caldart, freie Journalistin und Autorin

Eleonore Wiedenroth-Coulibaly, Übersetzerin, Referentin, Lehrerin sowie antirassistische und feministische Aktivistin

Sarya Akdeniz, Schülerin, Heinrich von Kleist-Schule Eschborn

Lothar Ruske, seit Anbeginn des Festivals Programmorganistor von »Frankfurt liest ein Buch«, bei seiner letzten Eröffnungsfeier. Hier im Bild mit Silke Haug und Hildegard Upgang vom Vorstand des Vereins.

Alle Fotos der Eröffnung (c) Alexander Paul Englert

Am Heinrich-von-Gagern-Gymnasium im Frankfurter Ostend fand am 25. April eine von Schüler:innen organisierte und durchgeführte Abendveranstaltung mit Deniz Ohde statt: Lesung, Gespräch und Quiz. Circa 100 Besucher:innen aus Schule und Nachbarschaft waren zu Gast. Der Hessische Rundfunk hat die Veranstaltung am 30. April gesendet. 

(c) Frankfurt liest ein Buch

Auch in diesem Jahr hat das Sachsenhausener Modegeschäft Peggy Sue Vintage mitgemacht. Am 26. April ging es dort um Mode, Musik und Jugendkultur der 90er Jahre. Mit dabei waren die Sängerin und Schauspielerin Alexandra Bentz und der Schauspieler Christoph Gérard Stein. Die Besitzerin des Geschäfts, Angi Henn, hat einen informativen Vortrag zu Mode- und Jugendkultur verschiedener Jahrzehnte gehalten.

(c) Frankfurt liest ein Buch

Im Haus am Dom haben in diesem Jahr gleich drei Veranstaltungen stattgefunden: Am 24. April hat Gregor Praml ein von der WIBank gefördertes Filmprojekt präsentiert. Videoarbeiten von Schüler:innen wurden mit Textpassagen und Musikkompositionen auch unter Mitwirkung der Schauspielerin Katharina Bach verbunden. Preisträger:innen des Robert-Gernhardt-Preises, die sich selbst literarisch mit ähnlichen Themen beschäftigt haben, kommen in dem präsentierten Film ebenfalls zu Wort.

Am 27. April hat Lisa Straßberger vom Haus am Dom mit Deniz Ohde im voll belegten großen Saal vor 120 Schüler:innen ein Gespräch über Streulicht geführt.

(c) Frankfurt liest ein Buch

Außerdem las die Oberbürgermeisterin Petra Roth a. D. am 2. Mai wie in den letzten Jahren im Haus am Dom aus dem aktuellen Festivalbuch. 

Im Museum für Kommunikation fand in diesem Jahr ein Podiumsgespräch mit Deniz Ohde und Anja Kittlitz von der SchlaU-Werkstatt statt, eine Kooperation mit der Crespo Foundation und der Frankfurter Rundschau, moderiert von Oliver Teutsch (F.R.). 170 Besucher:innen folgten der Diskussion am 27. April.

(c) Frankfurt liest ein Buch

Ein weiterer Höhepunkt von Frankfurt liest ein Buch war das Zusammentreffen von Fatma Aydemir und Deniz Ohde im ausverkauften Hessischen Literaturforum im Mousonturm am 29. April. Über 200 Besucher:innen lauschten dem vom Hessischen Rundfunk aufgezeichneten und von Elisa Diallo moderierten Gespräch.

(c) Börge Meyn

Zwei ausverkaufte Veranstaltungen mit Deniz Ohde fanden am 30. April in Buchhandlungen statt: Mittags las Deniz Ohde zusammen mit Nassir Djafari in der Buchhandlung Schutt und am frühen Abend traf sie zum Werkstattgespräch auf Fridtjof Küchemann (F.A.Z.) in der Buchhandlung Weltenleser im Nordend.

 © Börge Meyn: Nassir Djafari, Katharina Deschka (F.A.Z.), Deniz Ohde in der Buchhandlung Schutt

 © Börge Meyn: Buchhandlung Weltenleser

Am 1. Mai haben die Bücherfrauen Rhein-Main einen schnell ausgebuchten Stadtspaziergang mit Deniz Ohde organisiert. An ausgewählten Schau­plätzen des Romans hat die Autorin passende Textpassagen vorgetragen.

  (c) Börge Meyn

Ebenfalls am 1. Mai hat Deniz Ohde in der Bocken­heimer ExZess-Halle gelesen. Das Gespräch über „Die Erhabenheit von Schornsteinen“ vor ca. 80 Besucher:innen haben Sven Hassel und Marcella Melien von der jungen Lesebühne „Never wash them at more than 40°C they said“ geführt.

(c) Frankfurt liest ein Buch

In der Evangelischen Akademie Frankfurt haben dieses Jahr zwei Veranstaltungen stattgefunden. Zusammen mit dem Bildungsforscher Julian Garritzmann hat Deniz Ohde über „Ungerade Wege“ gesprochen. Die Kombination aus Lesung, Vortrag und Gespräch mit Gunter Volz vom Evange­li­schen Stadtdekanat und der Direktorin Hanna-Lena Neuser hat beim 170 Menschen starken Publikum für großen Zuspruch gesorgt.

(c) Frankfurt liest ein Buch

Am 7. Mai wiederum wurden im Rahmen eines von Daniela Cappelluti moderierten Festakts in der Evangelischen Akademie Schüler:innen ausgezeichnet, die an dem Kurzfilmprojekt „Mein Viertel, meine Nachbarschaft“ teilgenommen haben.

(c) Frankfurt liest ein Buch

Eine weitere, sehr bewegende Schulveranstaltung hat an der Max-Beckmann-Schule stattgefunden, wo Deniz Ohde am 4. Mai auf derselben Bühne aus ihrem Roman gelesen hat, wo sie 2011 ihr Abiturzeugnis erhielt. Schüler: innen ihres ehemaligen Deutschlehrers haben Textstellen aus Streulicht szenisch interpretiert dargestellt. Im Anschluss gab es eine große, sehr aktive Fragerunde.

(c) Frankfurt liest ein Buch

Der Abschluss des 14. Lesefestivals war den zahlreichen pop- und jugend­kul­turellen Referenzen des Romans Streulicht gewidmet. Im ausverkauften Frankfurter Literaturhaus lauschten am 6. Mai 200 Besucher:innen sowie wei­tere Zuschauer:innen im Stream Deniz Ohde und der Sängerin Nadja Benaissa (No Angels). Das Gespräch führte der Journalist Linus Volkmann. Zum Abschluss sang Nadja Benaissa zwei Lieder und das Publikum war begeistert.

(c) Frankfurt liest ein Buch

 

Für die Unterstützung danken wir dem Kulturamt der Stadt Frankfurt, dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, dem Suhrkamp Verlag, dem Kulturfonds Frankfurt RheinMain, der Stadt Eschborn, der WI-Bank, der Mainova und dem Hotel Villa Orange.

Außerdem danken wir unseren Medienpartnern Frankfurter Rundschau und Hessischer Rundfunk, die das Lesefest mit Interviews, Berichten und Porträts begleitet haben.